Antrag zur Beratungsvorlage 1224/X – Sachstandsbericht Braunkohlenangelegenheiten

Themen

Gemeinsamer Fraktionsantrag
Ausschuss für Umwelt und Mobilität: 20.01.2022
Ausschuss für Planung, Bauen und Stadtentwicklung: 25.01.2022
Hauptausschuss: 09.02.2022
Rat: 16.02.2022

Beratungsgegenstand
Antrag zur Beratungsvorlage1224/X – Sachstandsbericht Braunkohleangelegenheiten unter besonderer Berücksichtigung der Verkürzung der Tagebaulaufzeiten und ihrer Konsequenzen für das Stadtgebiet sowie der verkehrlichen Anbindung.

Beschlussentwurf:
Der Ausschuss für Umwelt und Mobilität, der Ausschuss für Planung, Bauen und Stadtentwicklung, der Hauptausschuss empfehlen, der Rat beschließt das als Anlage beigefügte Positionspapier zum Kohleausstieg 2030. Der Oberbürgermeister wird gebeten, die Position der Stadt Mönchengladbach gegenüber den zuständigen Bundes- und Landesministern sowie den Bundes- und Landtagsabgeordneten der Region zu kommunizieren.

Begründung:
Der Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen auf Bundesebene sieht vor, dass der im Kohleverstromungsbeendigungsgesetz für 2026 vorgesehene Überprüfungsschritt auf 2022 vorgezogen werden soll und der Ausstieg aus der Kohleförderung idealerweise bis 2030 gelingt. Ein früherer Kohleausstieg wäre auf Landesebene ggfs. durch eine Anpassung der Leitentscheidung 2021 zu konkretisieren.
Durch die mit einer früheren Beendigung des Braunkohlenabbaus verbundenen Herausforderungen ist es nach Auffassung der Antragsteller erforderlich, wesentliche Rahmenbedingungen nicht erst mit den regulären Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen der Planänderungsverfahren, sondern frühzeitig in Richtung Land und Bund zu adressieren.

Dr. Hans Peter Schlegelmilch, Fraktionsvorsitzender der CDU im Rat der Stadt Mönchengladbach
Jannan Safi, Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt Mönchengladbach
Ulla Schmitz / Dr. Boris Wolkowski, Fraktionsvorsitzende*r Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Mönchengladbach
Nicole Finger, Fraktionsvorsitzende der FDP im Rat der Stadt Mönchengladbach
Torben Schulz, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Rat der Stadt Mönchengladbach

Dieser Antrag wurde im Ausschuss für Umwelt und Mobilität, im Ausschuss für Planung, Bauen und Stadtentwicklung, im Hauptausschuss und im Rat einstimmig beschlossen.

Positionspapier Kohleausstieg 2030

Die Stadt Mönchengladbach begrüßt, dass der im Kohleausstiegsgesetz für 2026 vorgesehene Überprüfungsschritt vorgezogen werden soll, und der Ausstieg aus der Kohleförderung idealerweise bis 2030 gelingt. Eine möglichst schnelle Entscheidung über die weitere Entwicklung des Tagebaus Garzweiler II liegt im Interesse der unmittelbar vom Tagebau betroffenen Menschen. Dies betrifft insbesondere die laufenden Umsiedlungsverfahren, aber auch die unmittelbar am (geplanten) Tagebaurand liegenden Ortschaften. Die mit der Überprüfung im Jahr 2022 vorgesehene Klärung der mit einem früheren Kohleausstieg verbunden komplexen Fragestellungen stellt aus Sicht der Stadt Mönchengladbach ein ambitioniertes Ziel dar. Im Rahmen der anstehenden Entscheidungen zu einem früheren Ausstieg durch den Bund bzw. das Land NRW sind dabei aus Sicht der Stadt Mönchengladbach insbesondere folgende Aspekte zu berücksichtigen:

Umweltverträgliche Gestaltung des Restsees
Der Restsee Garzweiler wird mit einer Fläche von ca. 21,8 km2 und einem Volumen von ca. 2.000 Mio. m3 enorme Auswirkungen auf den Wasserhaushalt am Niederrhein mit seinen wertvollen Feuchtgebieten an der Niers sowie im Schwalm-Nette-Gebiet haben. Risiken für die Qualität des Grundwassers – und damit auch für die Versorgung von Bevölkerung und Industrie mit Trink- und Nutzwasser – bestehen insbesondere im Abstrom aus dem See durch den angeschütteten Abraum (sog. Kippe) in die nördlichen Grundwasserleiter. Die Maßnahmen zur Minimierung dieser Risiken wurden insbesondere in dem bislang nicht verfüllten Bereich östlich der A44n (sog. östliches Restloch) noch nicht in ausreichendem Umfang durchgeführt. Die vollständige Verfüllung des östlichen Restlochs ist daher wasserwirtschaftlich zwingend!

Da derzeit nicht beurteilbar ist, unter welchen Rahmenbedingungen die Verfüllung des östlichen Restlochs sichergestellt werden kann, hat der Braunkohlenausschuss in seiner Sitzung vom 13.12.2021 nicht nur den Bergbautreibenden aufgefordert, eine Vorhabensbeschreibung vorzulegen, die ein vorgezogenes Ausstiegsdatum 2030 berücksichtigt, sondern auch ein unabhängiges Gutachten zur Abraumbilanzierung im Zusammenhang mit dem Restloch-Ost beauftragt.
Die Stadt Mönchengladbach fordert Bund und Land auf, die Ergebnisse der vom Braunkohlenausschuss beauftragten Untersuchungen zu berücksichtigen und im Rahmen ihrer Entscheidungen eine vollständige Verfüllung des östlichen Restlochs sicherzustellen. Neben den energiewirtschaftlichen Bedingungen muss ein früherer Kohleausstieg auch ökologisch-wasserwirtschaftlich verträglich ausgestaltet werden.

Quantitativ und qualitativ ausreichende und zeitgerechte Bereitstellung von Rheinwasser
Nach dem geltenden Braunkohlenplan Garzweiler II (aus 1995) ist der Restsee durch die Zufuhr von Rheinwasser innerhalb von 40 Jahren zu befüllen. Dieses verbindlich festgelegte Ziel darf nicht zuletzt im Sinne des Vertrauensschutzes aufgeweicht werden. Daneben ist auch Rheinwasser zur Erhaltung der Feuchtgebiete und zur Sicherung der Versorgung mit Trink- und Nutzwasser erforderlich. Das im Zusammenhang mit der früheren Beendigung des Tagebaus Hambach in der vierten Leitentscheidung der Landesregierung NRW formulierte Ziel einer Befüllung des Restsees Hambach ebenfalls und zeitgleich über einen Zeitraum von 40 Jahren zu ermöglichen, lässt sich mit der derzeit möglichen Entnahme von Rheinwasser nicht realisieren. Die Stadt Mönchengladbach erwartet von Landes- und Bundesregierung, dass sie sich mit allem Nachdruck bei den zuständigen Stellen (z.B. der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt) für ausreichende Entnahmemöglichkeiten von Rheinwasser einsetzt und die bereits 1995 im Braunkohlenplan Garzweiler II verbindlich festgelegten Ziele nicht aufgeweicht werden. Die sich aus den Verwendungen des Rheinwassers ergebenden hohen Qualitätsansprüche sind zu konkretisieren und durch eine entsprechende Aufbereitung sicherzustellen.

Neuplanung des überregionalen Verkehrsnetzes im Bereich Garzweiler II
Mit Schreiben vom 29.03.2021 hat der Landesverkehrsminister NRW den Braunkohlenausschuss u. a. darüber informiert, dass der Bund auf die Notwendigkeit einer zeitnahen Prüfung der Entscheidung über den Bau der A61 hingewiesen wurde.
Spätestens mit einer weiteren Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II ist eine Wiedererrichtung der A61 nicht mehr möglich. Eine Wiedererrichtung der A61 wäre erst im Rahmen der Rekultivierung möglich gewesen. Dem gegenüber können Maßnahmen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des überregionalen Verkehrsnetzes unmittelbar in Angriff genommen werden. Verbesserungsnotwendigkeiten bestehen aus unserer Sicht insbesondere beim Lärmschutz der Anlieger, bei der Optimierung der Autobahnkreuze bzw. -dreiecke sowie hinsichtlich der Beeinträchtigung der A44n bei stärkerem Wind. Unabhängig von der notwendigen inneren Erschließung der zu rekultivierenden Flächen durch Bundes- und/oder Landesstraßen stellen diese keine Alternative für eine leistungsfähige Ausgestaltung des Autobahnnetzes dar.

Die Stadt Mönchengladbach fordert die notwendigen Planungen unter Beteiligung der Kommunen in der Region kurzfristig vorzunehmen und zügig umzusetzen. Außerdem soll das regionale sowie überregionale Radwegenetz sowohl in der zu rekultivierenden als auch in der Bestandsfläche zeitnah umgesetzt und die dafür nötigen Fördermittel schnellstmöglich zur Verfügung gestellt werden. Des Weiteren ist sicherzustellen, dass die finanziellen Verpflichtungen der RWE Power AG im Zusammenhang mit der Wiedererrichtung der A61 durch finanzielle Verpflichtungen zu Lärmschutzmaßnahmen und alternative Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur ersetzt werden.

Effektive Absicherung der langfristigen Folgekosten
Die Stadt Mönchengladbach begrüßt die Absicht der Landesregierung NRW nach der Leitentscheidung 2021, die RWE Power AG zur Vorlage eines belastbaren Langfristkonzepts zur finanziellen Absicherung der Folgekosten des Braunkohlenbergbaus aufzufordern und dass nach dem Koalitionsvertrag die Errichtung einer Stiftung geprüft werden soll, die den Rückbau der Kohleverstromung und die Renaturierung organisiert.
Die seit Jahren bzw. Jahrzehnten von der Stadt Mönchengladbach vorgetragene Forderung nach einem finanzpolitischen Monitoring der mit dem Braunkohlentagebau verbundenen Folge- bzw. Ewigkeitskosten hat damit in ersten Ansätzen Gehör bei Land und Bund gefunden. Gerade im Hinblick auf ein weiter vorgezogenes Ende des Braunkohlenabbaus sind nunmehr aber dringend konkrete Maßnahmen erforderlich.

Nach dem Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung („KWSB“)“ ist über die derzeitigen Jahresabschlüsse hinaus Transparenz zu schaffen, inwieweit die zukünftigen Zahlungen für Wiedernutzbarmachung und Stilllegung nicht nur gedeckt, sondern zum benötigten Zeitpunkt auch vorliegen. Die Länder sollen danach auch die Möglichkeiten von insolvenzfesten Sicherheitsleistungen ausschöpfen. Bislang besteht weder ausreichende Transparenz über die Folgekosten noch wurde von den bereits bestehenden Möglichkeiten des Bundesberggesetzes, insolvenzfeste Sicherheiten zu verlangen, Gebrauch gemacht.
Es ist aus Sicht der Stadt Mönchengladbach sicherzustellen, dass zu jedem künftigen Zeitpunkt ausreichende finanzielle Mittel zur Abdeckung der mit dem Braunkohlenabbau verbundenen Folgekosten zur Verfügung stehen. Art und Umfang der dazu anzusammelnden Mittel sind im Rahmen eines finanziellen Monitorings festzulegen und im Zeitablauf zu überwachen. Mit einer Stiftungslösung dürfte – wie bereits im Rahmen der Lösungen für die Steinkohle und Atomenergie – eine Übernahme sämtlicher Risiken vom Bergbautreibenden durch die Stiftung verbunden sein. Die erforderlichen Mittel zur Ausstattung der Stiftung durch den Bergbautreibenden sind bereits bis zu diesem Zeitpunkt in Form von insolvenzfesten Sicherheitsleitungen anzusammeln. Die Stadt Mönchengladbach erwartet von Landes- und Bundesregierung, dass endlich konkrete Maßnahmen zur Folgekostenabsicherung unternommen werden.


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