Abschiebungen 2.0

Diana Gröschel zum Thema Abschiebegefängnis:

Der seit Monaten tobende Überbietungswettbewerb bei der Entwicklung neuer Ideen zum Dauerbrenner Migration im Kontext von Sicherheit (oder umgekehrt…) geht offenbar in die nächste Runde.

Vor zwei Wochen wurde öffentlich bekannt gegeben, dass Mönchengladbach eine neue ′Unterbringungsanstalt für Ausreisepflichtige` (UfA) erhält, die durch die Landesregierung in Auftrag gegeben wurde. Diese Unterbringungsanstalt ist, genau genommen, eine Haftanstalt; allerdings nicht für Straftäter im herkömmlichen Sinne, sondern für Menschen, deren Straftat in erster Linie darin besteht, sich nicht abschieben lassen zu wollen.

Nachvollziehbar wenn man bedenkt, dass ein großer Teil der Geflüchteten vor Gewalt und Terror flieht und unter lebensbedrohlichen Bedingungen den Weg nach Deutschland gefunden hat.

Die in weiten Teilen undifferenzierte und diffuse Berichterstattung über Ausreisepflichtige, die eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen und daher inhaftiert werden müssen, ist mit der geltenden Rechtslage allerdings bisher nicht in Einklang zu bringen.

Die Abschiebungshaft ist zweckgebunden an die Durchführbarkeit einer Abschiebung; sie ist keine „Beugehaft“ zur Erzwingung von Mitwirkungshandlungen des Ausländers, sie ist auch keine „Gefährderhaft“ für – sich oder Andere – gefährdende Ausländer und sie ist erst recht keine Strafhaft…[1].

(Anmerkung: für Personen, die z.B. allein aufgrund psychischer Erkrankungen eine Gefahr für sich oder Andere darstellen, sind andere Rechtsvorschriften, wie das „PsychKG“ maßgeblich und bei richtiger Anwendung auch völlig ausreichend!)

Wenn die UfA aber gar keine Haftanstalt für (echte) Straftäter ist, welche positive Auswirkung soll sie dann auf unsere Sicherheits-/Gefährdungslage haben? Und in welchem Verhältnis stehen dann die veranschlagten BauKosten in Höhe von 300 Millionen (!) Euro [2] für ca. 140 Plätze?

Solche inhaltlichen Fragen scheinen in Anbetracht der AFD Erfolge mit populistischer Hetze aber gar nicht mehr wichtig zu sein. Noch wenige Monate vor dem Anschlag von Solingen, sah die Landesregierung keine Notwendigkeit für eine neue UfA. Nach dem Anschlag – komplette Kehrtwende. Weil? Der Attentäter eigentlich ja gar nicht hier sein sollte und besser in einem anderen europäischen Land Menschen umgebracht hätte? Das sagt eine Menge über „unsere Werte“ aus.

Der migrantische Attentäter (von Magdeburg) – passt zwar nur grob ins Schema, aber davon abgesehen: wenn der Mann verschiedenen Sicherheitsbehörden einschlägig bekannt war und als gewaltbereit galt, was hat die Behörden davon abgehalten ihn festzunehmen oder unter Beobachtung zu stellen?

Ist für dieses offensichtliche Behördenversagen die Nationalität des Täters irgendwie relevant? Wohl kaum. Und dennoch wird im Zusammenhang mit migrantischen Gewalttaten nach härteren Regelungen in Bezug auf Aufenthaltsgesetze und Abschiebungen geschrien.

Laut Polizeigewerkschaften gibt es vielmehr ein Umsetzungsproblem der geltenden Rechtslage aufgrund mangelnder Personal Ressourcen. Wie genau soll eine zusätzliche UfA hier Abhilfe schaffen?

Das kollektive Gefühl von Sicherheit kann aber offenbar nur noch hergestellt werden, wenn möglichst viele Menschen (insbesondere aus muslimischen Ländern) aus unserem „friedlichen und weitestgehend christlichen“ Land rausgeschmissen werden.

Aus dieser Logik heraus und unter dem Druck der Öffentlichkeit, wurde dieser Haftanstalt im Rahmen eines umfassenden Pakets für „Sicherheit, Migration und Prävention“ zugestimmt.

Damit vollzieht die Landesregierung nicht nur eine 180 Grad Kehrtwende in der Bewertung der Sinnhaftigkeit einer weiteren UfA, sie stützt damit vielmehr die Annahme, dass ausreisepflichtige Migranten grundsätzlich ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung darstellen und stärkt damit die Ziele rechtspopulistischer Parteien.

Es ist doch offenkundig eine absurde Annahme, dass Gewalttäter am Status ihres Aufenthaltes erkannt werden können! Hinzu kommt, dass schwere Gewalttaten weiblicher Personen bisher nicht bekannt wurden, in der neuen UfA aber auch weibliche Personen untergebracht werden sollen – also auch hier blinder Aktionismus statt sinnvoller Maßnahme.

Dringend geboten wäre es, sich mit den Ursachen und Auslösern von Gewalt und Extremismus zu beschäftigen anstatt Millionen schwere „Psyeudo-Sicherheitsmaßnahmen“ nach dem Prinzip Gießkanne einzuleiten und genau hierfür wären die 300 Millionen Euro gut zu gebrauchen!

Bei der Inhaftierung sämtlicher Ausreisepflichtigen würden nach dem Zufallsprinzip möglicherweise potentielle Straftäter darunter sein oder eben auch nicht. Zudem würden auch Menschen, die bereits Opfer von Gewalt geworden sind oder Menschen, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, innerhalb einer Haftanstalt untergebracht!

Von der öffentlichen Berichterstattung hingegen weitestgehend ausgeschlossen sind Straftaten, die politisch rechts motiviert sind. Hier liegen nach wie vor die mit Abstand höchsten Zahlen von Straftaten (Gewalttaten und Gewaltopfern) insgesamt[3].

Im Jahr 2023 lagen die Zahlen hier bei 28.945 Straftaten bei einem Anstieg um 23% im Vergleich zum Vorjahr und im Jahr 2024 haben diese einen neuen Höchststand erreicht! Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Demnach zählte die Polizei bundesweit bis Ende November mindestens 33.963 Delikte aus dem Bereich „politisch motivierte Kriminalität – rechts[4].

Dennoch sind auch die Straftaten in den Bereichen ausländische Ideologie stark angestiegen – im Jahr 2023 um 33 Prozent auf 5.170 Taten und im Bereich religiöse Ideologie sogar um rund 200 Prozent auf 1.458 Straftaten. Insgesamt liegen die Zahlen hier jedoch deutlich unterhalb der Zahlen von rechts motivierten Taten, weshalb eine ausschließliche Fokussierung hierauf noch unsinniger erscheint.

Nach einer Studie des IDZ Jena stehen diese Zahlen in direktem Zusammenhang – man spricht hier von einer Radikalisierungsspirale. Islamismus und Rechtsextremismus sind zwei Seiten derselben Medaille, die sich wechselseitig begünstigen. Organisationen beider Formen des Extremismus verwenden die Gewalttaten der Gegenseite, um ihre gesellschaftlichen Opfer- und Feindbilder zu begründen, ihre Narrative zu bestärken und ihre Aktionen zu legitimieren.[5]

Wenn die Konsequenzen aus dieser Gemengelage aber lediglich darin bestehen, undifferenziert und einseitig gegen eine Gruppe vorzugehen, die ins populistische Meinungsbild passt, werden Gewalttaten beiderseits weiterhin ansteigen. Ein zusätzlicher Abschiebeknast wird keinerlei Auswirkungen auf diese Entwicklung haben. Wir brauchen einen ehrlichen und fachlichen Diskurs über die Ursache von Gewalt und Extremismus ohne eine selektive Brille!


[1] https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/esm/MME18-292.pdf

[2] https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-11300.pdf S. 12

[3] https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2024/Presse2024/240521_PM_Fallzahlen_PMK2023.html

[4] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/rechtsextremismus-straftaten-rekordstand-100.html

[5] https://www.idz-jena.de/wsddet/wsd2-14

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