Braunkohlentagebau Garzweiler II – Ewigkeitskosten

Personen

Anfrage von Reinhold Giesen in der Bezirksvertretung West am 16.11.2021

Mit dem geplanten Ende der Braunkohlenförderung, spätestens 2038 sind für Mönchengladbach die Auswirkungen des nahen Tagebaus noch nicht abgeschlossen.

Die sogenannten Ewigkeitskosten des Tagebaus Garzweiler, die sich auf einen Milliardenbetrag belaufen dürften, sind eigentlich von RWE zu tragen.
Benötigt werden die Mittel – und das bis zu 100 Jahre nach Ende des Tagebaus – für die Befüllung des geplanten Restsees und die notwendigen massiven Wassereinleitungen in die Feuchtgebiete in Mönchengladbach und die angrenzenden Gebiete bis hin zur niederländischen Grenze, damit die bisherige Vegetation der ganzen Region mit in ihrer ursprünglichen Art nicht massiv geschädigt wird.

Auch die Behebung von Bergschäden an Häusern und sonstiger Infrastruktur, die auch nach Tagebauende noch entstehen können, müssen weiterhin finanziell ausgeglichen werden.

Nach Auskunft der zuständigen Genehmigungsbehörde stehen die Rückstellungen des RWE für die Ewigkeitskosten nicht in Form liquider Finanzmittel zur Verfügung, sondern in Form von Sachinvestitionen (Förderanlagen etc.) im laufenden Tagebau, die bei Tagebauende mit einem Schlag ihren bisherigen Wert verlieren.

Es gibt bisher keine gesetzliche Regelung, die das RWE zu einer Sicherstellung der Mittel für die Ewigkeitskosten (z.B. in Form eines rechtlich unabhängigen Fonds) zwingen könnte. Falls sich das RWE in naher Zukunft rechtlich in zwei voneinander unabhängige Gesellschaften aufspalten sollte, droht MG in eine finanziell äußerst schwierige Lage zu geraten: Alle wenig zukunftsträchtigen Assets, die mit Kohle zu tun haben, könnten in eine neue Gesellschaft ausgelagert werden – inkl. der Ewigkeitskosten. Das RWE selbst würde dann nur die zukunftsträchtige Energieproduktion mit erneuerbaren Energien behalten. Die neue Gesellschaft mit den Kohle-Assets könnte dann vermutlich wirtschaftlich nicht lange überleben und würde Insolvenz anmelden müssen.

Die Folge:
Die Ewigkeitskosten müssten dann aus der vermutlich viel zu geringen Insolvenzmasse bezahlt werden, was kaum möglich sein dürfte. Auf die Stadt kämen dann horrende Kosten zu, welche die Mittel für Investitionen in anderen wichtigen Bereichen beschneiden würden. Ist dieses Horrorszenario realistisch? Leider ja!

Aktuelle Entwicklung:
Am 10.9.2021 erschien im Wirtschaftsteil der RP ein Artikel mit der Überschrift „Investor fordert Kohle-Abspaltung von RWE“. Gemeldet wurde, dass der Großinvestor Enkraft Capital vom RWE Vorstand eine Abspaltung der Braunkohleaktivitäten fordert. Zur Begründung wird der Investor folgendermaßen zitiert: „Unter vielen Investoren herrscht Einigkeit darüber, welchen negativen Einfluss die Braunkohleaktivitäten auf die Bewertung der RWE haben.“ Gefordert wird, mit der Abspaltung der Kohleaktivitäten „ein enormes Wertsteigerungs-Potential“ zu realisieren. In der Regel haben Großinvestoren einen erheblichen Einfluss auf das Management großer Konzerne. Allerdings ist vertraglich geregelt, dass der Bund und das Land NRW einem eventuellen Verkauf der Braunkohleaktivitäten zustimmen müssen.

Am 19.10.2021 erschien in der RP ein weiterer Artikel, mit dem der Druck auf das RWE weiter erhöht wurde.

Handlungsfeld:
Da nicht nur der Stadtbezirk West, als direkt anliegender Stadtbezirk, sondern auch die gesamte Stadt Mönchengladbach von dieser Entwicklung betroffen ist, stellt sich folgende Frage:

Ist die aktuelle Entwicklung und die sich daraus ergebenden möglichen Strategien der RWE AG der Stadtverwaltung bekannt und wenn ja, welche Maßnahmen und Aufträge werden daraus abgeleitet?

Antwort der Verwaltung vom 10.01.2022

Braunkohletageanbau Garzweiler II – Thema Ewigkeitskosten
Hier: Ihre Anfrage aus der Bezirksvertretung West vom 16.11.2021

Sehr geehrter Herr Giesen,

die Auswirkungen der Braunkohlegewinnung im Tagebau Garzweiler beschäftigt die Stadtverwaltung bereits seit vielen Jahrzehnten. Als Folge des Braunkohleabbaus entstehen eine Vielzahl an langfristig wirkenden Folge- und Ewigkeitskosten, die über Jahrhunderte und damit weit über den Zeitraum nach Beendigung der Braunkohlenförderung und der Rekultivierung wirken. Die Frage der Sicherstellung der Finanzierung der Folgekosten wird dabei von Verwaltung und Politik in Mönchengladbach seit Jahrzehnten intensiv diskutiert. Hierbei hat die Stadtverwaltung wiederholt Ihre Sorge hinsichtlich einer ausreichenden finanziellen Absicherung der für sämtliche mit dem Tagebau in Zusammenhang stehenden Folgekosten durch den Bergbautreibenden in verschiedensten Ausschüssen, Gremien und Verfahren geäußert. Ein zentrales Element dieser Sorge ist die Frage, ob die zur Abdeckung der entstandenen Folge- und Ewigkeitskosten gebildeten Rückstellungen des Bergbautreibenden entsprechend auskömmlich langfristig abgesichert sind und ob diese zum Zeitpunkt ihres Entstehens auch tatsächlich vom Bergbautreibenden erbracht werden können.

Vor diesem Hintergrund beobachtet und bewertet die Stadtverwaltung die aktuellen strategischen Aktivitäten der RWE AG und der mit Ihr verflochtenen RWE Power AG.

Die von Ihnen geschilderte Entwicklung innerhalb des RWE-Konzerns hat die Stadtverwaltung eine Pressemitteilung, die im Rahmen einer Pressekonferenz zur Vorstellung der „Investitions- und Wachstumsstrategie 2030“ der RWE AG vom 15.11.2021 veröffentlicht wurde, zur Kenntnis genommen. Hierbei wurde die strategische Neuausrichtung der RWE AG zur Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien im Konzernportfolio mit Darstellung des Wachstums- und Investitionsprogramms „Growing Green“ vorgestellt (s. a. Pressemitteilung „50 Milliarden Euro, 50 Gigawatt Kapazität bis 2030: RWE startet Investitions- und Wachstumsoffensive“ vom 15.11.2021 der RWE AG). Weitere über den Inhalt dieser Pressemitteilung hinausgehende aktuelle strategische Informationen der RWE AG liegen der Verwaltung nicht vor. Ferner liegen der Verwaltung auch keine aktuellen Erkenntnisse über eine etwaige Strategie der RWE AG oder der RWE Power AG hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die Erfüllung der bergbaulichen Verpflichtungen gem. Bundesberggesetz oder der Absicherung der Folgekosten vor.

An der seit vielen Jahrzehnten geäußerten kritischen Haltung der Stadtverwaltung bezüglich der Absicherung der Folge- und Ewigkeitskosten ändert dieser Sachverhalt jedoch nichts. Bereits bei der Erarbeitung des Braunkohlplans Garzweiler II im Jahr 1993 hat die Stadtverwaltung mit breiter politischer Unterstützung darauf hingewiesen, dass Art, Umfang und Absicherung der Folgekosten nicht geklärt sind, wenn der Bergbautreibende nicht mehr finanziell leistungsfähig wäre. Seit damals werden die Diskussionen um dieses Thema im Rheinischen Revier u. a. im Braunkohleausschuss auch auf die Initiative der Stadt Mönchengladbach immer wieder sehr engagiert geführt, was beispielsweise in der Veröffentlichung von mehreren Gutachten zur finanziellen Absicherung durch den Bergbautreibenden und die Bezirksregierung Arnsberg führte. Auch in den politischen Gremien der Stadt wird das Thema immer wieder aufgegriffen. Beispielhaft sei hier auf einen Vortrag der Bezirksregierung Arnsberg im Umwelt- und Feuerwehrausschuss am 28.11.2018 (BVL 3463/IX „Sicherung der Folge- / Ewigkeitskosten der Braunkohltagebaue im Rheinischen Revier“) verwiesen.

Zuletzt hat sich die Stadtverwaltung in Ihrer Stellungnahme zur IV. Leitentscheidung der Landesregierung von NRW vom 17.12.2020, die mit einstimmigem Ratsbeschluss verabschiedet. Wurde, zur Thematik gegenüber dem Bergbautreibenden und der Landesregierung positioniert. In der Stellungnahme wurde dargelegt, dass die erforderliche Transparenz über die Leistungspflichten des Bergbautriebenden, allein auf Grundlage der gebildeten Rückstellungen nicht gegeben und eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bergbautreibenden über den gesamten Zeitraum nicht nachzuvollziehen sei. Daher wurde gegenüber der Landesregierung gefordert, dass zu jedem künftigen Zeitpunkt ausreichende finanzielle Mittel zur Abdeckung der mit dem Braunkohlenabbau verbundenen Folgekosten zur Verfügung stehen müssen, sowie Art und Umfang der anzusammelnden Mittel auf Grundlage zu konkretisierender Ziele im Rahmen eines finanziellen Monitorings festzulegen und zu überwachen sind.

Auch im Zweckverband LandFolge Garzweiler wird die Folgekosten-Thematik mit Unterstützung der Mitgliedskommunen diskutiert. Als Ergebnis dieser Diskussionen wurden die im vorhergehenden Absatz aufgeführten Forderungen, mit breiter politischer Unterstützung, in den Leitentscheidungsprozess als Stellungnahme an die Landesregierung eingebracht. Leider musste in der Bewertung der IV. Leitentscheidung festgestellt werden, dass hinsichtlich der Absicherung der Folgekosten lediglich geringfügige Verbesserungen, aber nicht die geforderte umfassende Neuregelung erreicht werden konnte. In der Verbandsversammlung wurde einstimmig mandatiert, dass der Zweckverband und seine Mitgliedskommunen sich weiter proaktiv in die Diskussionen zur Absicherung der Folgekosten in den verschiedenen Ausschüssen und Gremien einbringen werden.

Die Stadt Mönchengladbach sieht gemeinsam mit dem Zweckverband LandFolge Garzweiler und den weiteren Mitgliedskommunen auch in der aktuellen Diskussion um einen noch früheren und vorzeitigen Braunkohleausstieg die Notwendigkeit, dass die Folgekosten-Thematik in den Entscheidungen der Bundes- und Landesregierung stärker berücksichtigt werden muss. Dabei ist langfristig sicherzustellen, dass der Bergbautreibende ausreichend finanzielle Mittel für die gesamte Dauer der erforderlichen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen zur Verfügung stellen kann. Ferner muss für die Zukunft sichergestellt werden, dass eine Abwälzung der Bergbaufolgekosten auf die vom Tagebau betroffenen Kommunen unmöglich wird. Hierbei empfiehlt es sich entsprechende Sicherungen vorzusehen und den Bergbautreibenden nicht aus seiner bergbaulichen Verpflichtung zu entlassen. Die Stadtverwaltung sieht es als von äußerster Wichtigkeit an, weiterhin ein finanzpolitisches Monitoring und jetzt als bedeutende Komponente des vorzeitigen Kohleausstiegs auch eine risikominierte langfristige Absicherung der Folgekosten einzufordern.

Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung

Dr.-Ing. Gregor Bonin, Stadtdirektor und Technischer Beigeordneter

Schreibe einen Kommentar