Diana Gröschel zu Grenzschließungen:
Die aktuelle mediale Berichterstattung überschlägt sich dabei, Betroffenheitsbekundungen auszusprechen, drastische Maßnahmen zur Bekämpfung von (irregulärer) Migration durchzusetzen und einen Masterplan gegen die steigenden Ängste der Bevölkerung zu entwickeln.
Die Politik präsentiert sich als fest entschlossen und bereit, den Kampf aufzunehmen. Eine hochemotionale öffentliche Debatte von Schuldzuweisungen und Unterstellungen ist entbrannt und vielleicht ist es an der Zeit, nochmal sachlich an die aktuelle Situation heranzugehen.
Worum genau geht es gerade? Ausgangslage der neuen Eskalation der öffentlichen Auseinandersetzung ist der Anschlag von Solingen. Aufgrund der schlechten Wahlprognosen der Ampel und der gewaltvollen Kommunikation der Oppositionsparteien findet offenbar nun ein Überbietungswettbewerb statt, in dem sich zumindest alle (fast alle) auf einen Masterplan einigen können: Abschiebungen im großen Stil, Abschottung der Grenzen und ein Maßnahmepaket zum Kampf gegen Islamismus (und sonstige Gewalt). Dabei werden die schlimmsten Ängste von vielen Menschen dazu benutzt, sich politisch als wählbar darzustellen. Was genau die angestrebten Maßnahmen bewirken, ist zum aktuellen Zeitpunkt allerdings noch völlig unklar.
Was dagegen feststeht ist, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt, der zu den wichtigsten Grundlagen eines friedlichen Zusammenlebens gehört, immer weiter schwindet. Vielleicht sollten wir uns die Frage stellen, wann und wo ein staatlich geförderter gewaltvoller Umgang gegen Mitmenschen (egal woher sie kommen) je zu einer friedlichen Gesellschaft geführt hat. Und auch, was danach kommt, wenn wir beispielsweise alle (ausländischen) Gewalttäter und Gefährder irgendwie losgeworden sind.
Was bei uns ankommt ist, dass ein hoher Anteil von Menschen in diesem Land enorme Ängste aber auch Wut entwickelt haben und sich nicht mehr gehört fühlen. Was wir verstanden haben, ist dass Menschen
- Angst haben, Opfer von Gewalttaten zu werden
- Angst haben, ihren Wohlstand zu verlieren
- Angst haben, dass gesellschaftliche Veränderungen stattfinden
- Angst haben, dass sie an politischen Entscheidungen keinen Anteil haben
- Angst haben, dass ihre Kinder eine unsichere Zukunft haben
- Angst haben, dass Traditionen, Sitten und Gebräuche sich verändern
Was wir weiterhin verstanden haben ist, dass Menschen
- Wut haben, dass Reiche immer reicher werden
- Wut haben, dass für die eigenen Bedürfnisse keine staatlichen Mittel mehr vorhanden sind
- Wut haben, wenn persönliche Freiheiten durch neue Umweltschutzmaßnahmen eingeschränkt sind
- Wut haben, wenn andere mehr bekommen
- Wut haben, wenn Politik keine Antworten auf Problemlagen bietet
Was wir noch nicht verstanden haben ist, wie Grenzschließungen und Abschiebungen, dazu führen sollen, all diese Ängste zu beseitigen. Und wie der gesellschaftliche Zusammenhalt dadurch wieder hergestellt werden soll.