Auch im Homeschooling: Eltern bleiben Eltern

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Plötzlich in aller Munde, plötzlich notwendig und: allen Schüler*innen und deren Familien sowie den Lehrern abverlangt – aber kaum jemand war auf das so genannte Homeschooling vorbereitet. Seit Jahren bemängeln wir, dass digitaler Unterricht als Methode nur sehr schleppend in unsere Klassenzimmer einzieht. Auch Schulclouds als Informationsportal haben sich noch längst nicht überall durchgesetzt. Und jetzt sind der Druck und das Leiden groß. Von einem Tag zum anderen sind alle Beteiligten gefordert. Die Lehrer*innen sollen ihren Schüler*innen geeignetes Lernmaterial zur Verfügung stellen. Das kann heißen, dass die Schüler*innen Mails mit vielen Dateianhängen zugeschickt bekommen. Wohl dem, der eine eigene Mailadresse, einen PC oder Laptop und dann auch noch einen Drucker zur Verfügung hat. Andere Schüler bekommen dicke Pakete per Post. Das ist auch sehr imposant und so mancher Briefträger stöhnt innerlich auf. Und nicht nur der, sondern auch die Schüler*ìnnen und deren Eltern. Viele Eltern kümmern sich bestens und schaffen schnell feste Strukturen, damit den Kindern der gewohnte Rhythmus nicht verloren geht. Der Fleiß der Eltern wird dann auch in den gut und meistens fehlerfrei bearbeiteten Aufgaben ihrer Kinder sichtbar. Während die Oberstufenschüler*innen schon größtenteils wissen, wie sie unangeleitet ihren Lernstoff bewältigen können, sind Schüler*innen bis Klasse 8 oder 9 eher pfiffig darin, ihre Aufgabenzettel mal eben verschwinden zu lassen.

Aber die Dramen, die sich abspielen, sind weitgehend unsichtbar. Vor allem die jüngeren Schüler*innen sind noch nicht eigenmotiviert dabei und auch ganz aufgeregt, weil sie mit der Bedrohung `Corona´ kaum etwas anfangen können. Nach anfänglicher Begeisterung, nicht mehr in die Schule zu müssen, machen sich Angst und Sorge breit. Am Küchentisch kommt es zur Verweigerung und zu Geschwisterstreit. Auch die Eltern sind gestresst. Während sie größte Sorgen um ihren Arbeitsplatz haben und viele sich in Homeoffice oder Kurzarbeit wiederfanden, kommt mittlerweile oft pure Existenzangst dazu. Kinder haben ein sehr feines Gespür für die Sorgen ihrer Eltern. Gewalt kann sich ausbreiten, dann sind die Sorgentelefone und die Frauenhäuser oft die letzten Notlösungen. Aber viele Kinder sind mit ihren Sorgen auch ganz allein und hoffnungslos überfordert.

Was bedeutet Homeschooling jetzt in der Krise? Zunächst einmal die Simulation des gesamten Schulunterrichts. Und wenn die Schulen jetzt nach und nach wieder öffnen, wird die Zeit des Homeschoolings noch lange nicht vorbei sein. Die Kultusministerin redet von einem rollierenden System, welches jetzt aufgebaut werden soll. Das heißt nicht mehr und nicht weniger als einmal in der Woche zur Schule. Und da ist kein Ende abzusehen.

Durch das System Homeschooling sind alle Beteiligten hoffnungslos überfordert. Mit digitalen Methoden kann man Unterrichtseinheiten ersetzen – aber nicht das gesamte Schulsystem. Bevor der Stress in den Familien eskaliert, müssen wir die Notbremse ziehen. Bevor manche Eltern den Perfektionslevel zu hoch schrauben, bevor die allein gelassenen Kinder sich in ihre eigene Versagensangst oder Aggression verkriechen, müssen wir die Anforderungen an unsere Kinder unbedingt auf ein Normalmaß herunterfahren. Es ist nicht so wichtig, dass Arbeitsblätter stets vollständig bearbeitet sind. Unsere Kinder brauchen jetzt vor allem die Unterstützung ihrer Familie und nicht noch zusätzlichen Druck. Die Eltern sollen Eltern bleiben und nicht die Rolle der Lehrer*innen einnehmen. Eltern können auch mal sagen: „Das reicht heute, ich merke, dass du nicht gut drauf bist“. Und dann kann gelingen, dass Schüler*innen mit Freude oder auch nur mit Einsicht arbeiten. Auch in der Schule sitzen die Kinder nicht täglich höchst motiviert. Bei Problemen können die Eltern auch gern einen telefonischen Rat bei den Lehrer*innen suchen.

Spätestens wenn die Krise vorbei ist, müssen wir dringend daran arbeiten, dass unsere Schulen modernisiert werden, dass alle Schüler*innen auch in der Schule am Computer arbeiten können, dass alle Klassenstufen gute Lernprogramme zur Verfügung haben, dass die schwachen Kinder mit speziellen Programmen gefördert und die Überflieger mit anderen Programmen zusätzlich gefordert werden. Der Blick auf den Vertretungsplan sollte morgens schon von zuhause aus per Schulcloud selbstverständlich sein. Die digitale Vernetzung in einigen Lerngruppen für Referate oder Gemeinschaftsaufgaben ist ein hervorragendes Lerninstrument und soll geübt werden. Der Zugang aller Kinder zu den Schulcomputern muss auch nachmittags in der OGATA oder in den Bibliotheken gewährleistet sein. Denn sonst werden wir unserem Anspruch, kein Kind zurückzulassen, nie und nimmer gerecht.

Kommentar zum Thema „Homeschooling“ von Anita Parker, Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Mönchengladbach

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