Wir fordern Notschlafstellen für Wohnungs- & obdachlose Kinder und Jugendliche.

Kinder und Jugendliche, die in Obdachlosigkeit leben, existieren laut des aktuellen Gesetzestextes nicht. Denn laut aktueller Rechtssprechung hat jedes Kind und jede*r Jugendliche ein Recht auf Jugendhilfe. Dies ist in § 1 Abs. 1 des SGB VIII geregelt. Nach § 42 SGB VIII ist das Jugendamt dazu verpflichtet, jedes Kind und jede*n Jugendliche*n in Obhut zu nehmen, bei dem dringende Gefahr für das Kindeswohl besteht. Hierbei ist das Jugendamt jedoch dazu verpflichtet, die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten (PSB & EB) des Hilfe suchenden Kindes/Jugendlichen zu informieren.
Dies kommt jedoch in Konflikt mit dem Recht auf anonyme Beratung, welches alle Kinder und Jugendlichen laut § 8 Abs. 3 SGB VIII besitzen und hält gleichzeitig viele Hilfesuchende davon ab, das Angebot in Anspruch zu nehmen.
Dazu kommt, dass viele obdach- oder wohnungslose Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer augenscheinlich ausweglosen Situation Straftaten begehen, um ihre Grundbedürfnisse die jeder Mensch zum Leben braucht, wie beispielsweise Essen, zu befriedigen. Aufgrund dessen scheuen sich viele davor, die Hilfe des Jugendamtes in Anspruch zu nehmen, angesichts ihrer Angst vor Repression.
Da jedoch die Übertragung der staatlichen Aufgabe der Inobhutnahme auf private karitative Träger dich den §76 SGB VIII nur teilweise ermöglicht wird, wäre dies auch keine hinreichende Lösung (vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V./Nickel 2019). Um sich folglich als privater Träger bei der Errichtung einer Notschlafstelle in einem rechtlich abgesicherten Raum zu bewegen, darf dies nicht über eine Inobhutnahme geschehen, da dies einerseits weiterhin immer in der Verantwortung des örtlichen Jugendamtes geschieht und es andererseits stets von einer Einzelfallentscheidung abhängt und einer Unterrichtung der PSB / EB bedarf. Laut eines Gutachtens aus dem Jahr 2019, welches vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. veröffentlicht wurde, ist eine nächtliche Unterbringung nur möglich, solange der*die Hilfesuchende durch die Unterbringung nicht den PSB / EB vorenthalten oder hierdurch die Herausgabe der*des Minderjährigen erschwert wird (vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V./Nickel 2019). Das zur Verfügung stellen von Unterkunft und Verpflegung stellt jedoch laut des Gutachtens keinen strafbaren Fall dar, wenn die*der Hilfesuchende sich „selbst dem Einfluss des Sorgeberechtigten entzieht“ (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V./Nickel 2019). Folglich ist die Unterstützung bei diesem Selbstentzug nicht strafbar. Das Nutzen der Notschlafstellen für Erwachsene bietet hier keine hinreichende Lösung, da diese bereits jetzt von der betroffenen Personengruppe gemieden wird und es dort aufgrund des vermehrten Drogenkonsums zum anfixen der Jugendlichen mit neuen Substanzen kommt. Zudem ist in solchen Einrichtungen keine ausreichende sozialarbeiterische Anbindung für die individuellen Fälle gegeben. Das Angebot einer Notschlafstelle für Minderjährige ist somit dringend notwendig, da es den obdach- oder wohnungslosen Kindern und Jugendlichen ermöglicht, ihrem Grundbedürfnis nach einem sicheren Ort zur Übernachtung gerecht wird und sie sich folglich mit den schwerwiegenderen Problemen auseinandersetzen können. 

Obdachlosigkeit in der schulpflichtigen Zeit führt in der Regel zu massiven und nachhaltigen Schäden des Berufslebens, welche zum Teil über Jahrzehnte aufgearbeitet werden müssen.
Das Leben auf der Straße hat zudem zur Folge, dass sich psychische Erkrankungen bei der betroffenen Gruppe entwickeln oder sogar chronifizieren können. Dazu kommt, dass Betroffene häufig keinen anderen Ausweg sehen, als bei fremden erwachsenen Menschen unterzukommen, für die sie sich als Gegenleistung auf menschenrechtsfeindliche Angebote einlassen müssen, wie beispielsweise der Zwangsprostitution. 

In Mönchengladbach existieren glücklicherweise Einrichtungen, die solche Probleme dokumentieren.
Über die letzten zwei Jahren dokumentierte ein recht junges Projekt in Mönchengladbach die Zahlen ihrer Klient*innen, die in Obdachlosigkeit leben. 

6 Personen sind ausschließlich minderjährig.
27 Personen sind junge Erwachsene (18 – 21), bei denen ein großer Teil vermutlich auch in der Minderjährigkeit in Obdachlosigkeit lebten, dies jedoch aufgrund des sehr jungen Alters des Projektes nicht dokumentiert werden konnte.
9 Personen sind sowohl im minderjährigen, als auch im jungen erwachsenen Alter als obdach- oder wohnungslos dokumentiert wurden.
Hierzu muss man jedoch hinzufügen, dass das Klientel dieses Projektes überwiegend aus jungen Erwachsenen besteht und fast ausschließlich aus der Mönchengladbacher Innenstadt stammt. 

Städte wie Dortmund, Essen oder Wehen bieten bereits seit über 20 Jahren Kindern und Jugendlichen eine anonyme Möglichkeit zu übernachten. Nun ist es an der Zeit, dass dies auch in Mönchengladbach umgesetzt wird. Schluss mit dem Leugnen von Obdachlosigkeit bei Minderjährigen und her mit einem gerechten System, indem jeder Mensch auf passende soziale Hilfeleistungen zählen kann. 

Sollten Sie sich als Träger aus dem sozialen Bereich angesprochen fühlen, die Idee bis zur Umsetzung und darüber hinaus, auch finanziell zu begleiten, steht Ihnen Herr Lehwald als Ansprechpartner eines Netzwerkes, welches sich mit diesem Thema aktuell auseinandersetzt, selbstverständlich zur Verfügung.
Erreichen können Sie ihn unter:
E-Mail: get-up-neuss@jugend-und-familienhilfe.de
Mobil.: 0173/2593724 

Quelle: 

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V./Dorette Nickel (2019): Gutachten. Zur Übertragung der Rufbereitschaft des Jugendamts auf freie Träger der Jugendhilfe., docplayer.org, [online] https://docplayer.org/193727808-Gutachten-zur- uebertragung-der-rufbereitschaft-des-jugendamts-auf-freie-traeger- der-jugendhilfe-gutachten-vom-9-dezember-2019-g-4-19.html [abgerufen am 30.07.2022]. 

Konzepte von bereits bestehenden Notschlafstellen für Minderjährige: 

Raum 58: https://www.raum-58.de/wp-content/uploads/Konzept- RAUM58aktuell2018.pdf 

SleepIn: https://www.vse-nrw.de/dortmund/images/vse_dortmund/ downloads_Stellwerk/Konzept_SleepInStellwerk.pdf 

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