Anfrage von Karl Sasserath an den Oberbürgermeister am 20.01.2016
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
der Planungs- und Bauausschuss der Stadt hat, wie Ihnen bekannt ist, in seiner Sitzung am 2. Juni 2015 mehrheitlich beschlossen, für das Gebiet zwischen Mollsbaumweg, Geneickener Straße, Sportanlage und dem Regenrückhaltebecken im Stadtbezirk Süd, Stadtteil Bonnenbroich-Geneicken, einen Bebauungsplan mit Festsetzungen im Sinne des § 30 BauGB aufzustellen. Planungsziel ist eine städtebauliche Neuordnung und Revitalisierung von brachgefallenen Gewerbeflächen und deren Umfeld durch aufgelockerte Wohnbebauung.
In diesem Zusammenhang gab es am vergangenen Montag, 11.01.16 ein Gespräch mit der Verwaltung und Mitgliedern der Bezirksvertretung Süd und u.a. Vertretern der Bürgerinitiative Geneicken (BIG). Die BIG-Vertreter machten da-bei deutlich, dass der Perspektive der (eventuell als sinnvoll zu sehenden) Ansiedlung von jungen Familien in diesem Viertel die ökologische Funktion des Niersgrünzuges entgegengesetzt werden müsse. Dabei sprach man sich deutlich gegen eine Bebauung auf dem Gelände der jetzigen Pferdewiesen aus. Dieser Bereich hat im Kontext mit dem Rückhaltebecken und Schloss Rheydt zudem eine wesentliche Bedeutung als Naherholungsgebiet.
In der betreffenden Vorlage 817/IX aus der Sitzung vom 02.06.15 stellt die Verwaltung fest, es gebe für das gesamte Gebiet des Aufstellungsbeschlusses keinen Bebauungsplan, so dass die die Zulässigkeit von Bauvorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile nach § 34 BauGB zu beurteilen sei. Im Rahmen des Bebauungsplanes seien neben der Art der Bebauung insbesondere Fragen zur Erschließung des Gebietes, der Altlastenproblematik, der Ortsrandeingrünung bzw. den Vorgaben des Landschaftsplanes, welcher im südlichen Planbereich Landschaftsschutzgebiet festsetzt, in der Planung zu berücksichtigen.
In der aktuellen Vorlage 1351/IX, die am Mittwoch, 27. Januar 2016 in der Sitzung des Bezirksvertretung Süd besprochen werden soll, wird nun in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 774/S ausgeführt, der Bebauungsplan solle gemäß § 13a BauGB als „Bebauungsplan der Innentwicklung“ aufgestellt werden. Die hierzu notwendigen Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt.
Ich darf für meine Fraktion erklären, dass wir diese Sicht nicht teilen. Für uns stellt sich hier vielmehr die Frage, ob die geplante Bebauung nicht ohne Not in einen grünen Außenbereich hineinragt und oben angeführte wichtige Funktionen dieses Gebietes stark beeinträchtigt. Ich bitte Sie daher zu klären, ob für das in Rede stehende Gebiet tatsächlich ein Bebauungszusammenhang gegeben ist. Unserer Einschätzung nach ist dort bisher keine Bebauung zu Wohnzwecken gegeben. Mit Verweis auf das Urteil 6 K 4455/09 des VG Gelsenkirchen vom 21.01.2011 bitten wir um Beantwortung der Frage, inwieweit die Verwaltung eine Sicht rechtfertigt, wonach an dieser Stelle neues Planungsrecht auf einen abgerissenen Bestand bezogen werden kann.
In der Begründung des genannten Urteils heißt es u.a.
…„Ein Bebauungszusammenhang im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB reicht nur soweit, wie die vorhandene Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Dabei kommt es für die Ausdehnung eines Bebauungszusammenhanges auf die Grundstücksgrenzen ebenso wenig an wie auf Darstellungen im Flächennutzungsplan. Erforderlich ist vielmehr, dass die zur Bebauung vorgesehene Fläche einen Bestandteil des tatsächlich vorhandenen Bebauungszusammenhangs bildet. Der im Zusammenhang bebaute Ortsteil endet regelmäßig mit dem letzten Baukörper, so dass die sich anschließenden Freiflächen zum Außenbereich gehören.“ …
Dem Urteil 5 K 72/08 des VG Saarland vom 27.08.2008 zufolge endet die Bebauung am letzten Haus, nicht am Waldrand. So heißt es u.a.
Leitsatz
1. Der innerörtliche Bebauungszusammenhang endet regelmäßig auch dann am letzten Baukörper, wenn anschließend eine als Pferdekoppel genutzte Wiese folgt, die an ein Waldstück grenzt.
2. Die Verkehrsauffassung erwartet keine Bebauung bis an den Waldrand.“ …
Zum entfallenden Bestandsschutz im Außenbereich schreibt das BVerwG – 4 B 231.96 vom 11.12.1996 u.a.
Leitsatz
Ob eine im Außenbereich aufgegebene Bebauung weiterhin genutzt werden kann, entscheidet § 35 Abs. 4 BauGB. Daneben kommt ein Bestandsschutz nicht in Betracht.
Der sog. Passive Bestandsschutz entfällt, wenn der ursprüngliche legale Bestand in seiner Substanz nicht mehr vorhanden ist. Die Verwendung moderner Wiederherstellungsmaterialien führt zu einer Änderung der Bausubstanz und lässt den Bestandsschutz entfallen.“ …
Nun haben Sie im Amtsblatt Nr. 15 der Stadt Mönchengladbach vom 3. Juni 2015, Seite 121 bekanntgegeben, dass im genannten Gebiet ein BBP mit Fest-setzungen im Sinne des § 30 BauGB aufzustellen sei.
Für meine Fraktion stellt sich die Frage, inwieweit das von der Verwaltung zur Anwendung vorgesehene Bauplanungsverfahren den Umweltschutz und insbesondere in angemessener Form den Artenschutz berücksichtigt.
In der Vorlage heißt es dazu:
Unter der Berücksichtigung der Ergebnisse der noch ausstehenden Artenschutzvorprüfung und Bodenuntersuchungen sowie der Umsetzung der sich daraus ergebenden Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen ist derzeit nicht erkennbar, dass mit unvertretbaren Auswirkungen auf die Umweltbelange zu rechnen ist, die einer Umsetzung der Vorhaben im Plangebiet entgegenstehen könnten. …
Wenn für Sie derzeit nicht erkennbar ist, dass mit unvertretbaren Auswirkungen auf die Umweltbelange zu rechnen ist, die einer Umsetzung der Vorhaben im Plangebiet entgegenstehen könnte, bedeutet dies doch nicht, es wäre auch künftig so. Warum wird hier im Vorgriff auf die noch ausstehenden Artenschutzvorprüfung und Bodenuntersuchungen bereits eine Entscheidung getroffen?
Mit Verweis auf die oben angeführten Rechtsprechungen vertritt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Position, dass das Bebauungsplanverfahren für den in Rede stehenden Bebauungsplanbereich nicht im sogenannten vereinfachten Verfahren durchgeführt werden kann.
Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie herzlich um die Beantwortung unserer Fragen und insbesondere um Ihre Einschätzung, ob der Plan der Verwaltung, das Bebauungsplanverfahren im sogenannten vereinfachten bzw. beschleunigten Verfahren durchzuführen, tatsächlich einer juristischen Prüfung standhalten kann.
Mönchengladbach, 20. Januar 2016
Mit freundlichen Grüßen
Karl Sasserath, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen
Antwort der Verwaltung vom 03.02.2016
Durchführung des Bebauungsplanverfahrens im Stadtbezirk Süd, Stadtteil Bonnenbroich-Geneicken, Gebiet zwischen Mollsbaumweg, Geneickener Straße, Sportanlage und dem Regenrückhaltebecken (BP-Vorentwurf 774/S); i.S. reguläres / beschleunigtes Verfahren hier: Ihr Schreiben vom 22.01.2016
Sehr geehrter Herr Sasserath,
wie Sie wiedergeben, hat der Planungs- und Bauausschuss am 02.06.2015 beschlossen, für das oben genannte Plangebiet einen Bebauungsplan aufzustellen. Die Planung wird zudem auf der Grundlage des Ratsbeschlusses vom 16.12.2015, in dem u.a. das Grundstück Mollsbaumweg 33 an die EWMG zum Zweck der Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens, der Erschließung und Vermarktung übertragen wurde, betrieben.
In dem von Ihnen angesprochenen Gespräch mit der Bürgerinitiative Geneicken (BIG) und Mitarbeitern des Fachbereiches Stadtentwicklung und Planung am 18.08.2015 wurde den Vertretern der BIG eine erste Skizze zur Verwertung des Plangebietes vorgestellt, um diesen die geplante städtebauliche Entwicklung in ihrem Umfeld aufzuzeigen. Eine Festlegung für ein „normales“ oder „beschleunigtes“ Bebauungsplanverfahren bestand damals noch nicht.
Der Bebauungsplan Nr. 774/S wird gemäß § 13a Baugesetzbuch (BauGB) im beschleunigten Verfahren durchgeführt, da die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Auszug aus dem § 13a BauGB:
„(1) Ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) kann im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden …“
Hier handelt es sich insbesondere um die Nachnutzung von zwei brachgefallenen Fabrikstandorten und somit um die Wiedernutzbarmachung von Flächen.
Die von Ihnen angesprochenen §§ 34 und 35 BauGB regeln die Zulässigkeit von Vorhaben und nicht, in welchem Verfahren Bebauungspläne aufzustellen sind. Dementsprechend sind Ihre Auflistungen von Urteilen zum § 34 BauGB und zum entfallenden Bestandsschutz zwar korrekt, aber für ein Bebauungsplanverfahren nicht von Bedeutung.
Sie zitieren die Bebauungsplanvorlage (BP-Vorentwurf Nr. 774/S, Vorlage 1351/IX) dahingehend, dass „derzeit nicht erkennbar ist, dass mit unvertretbaren Auswirkungen auf die Umweltbelange zu rechnen ist“ und fragen, warum schon im Vorgriff eine Entscheidung auf Umweltbelange wie Arten-und Bodenschutz getroffen wurde. Damit wurde seitens des Fachbereiches Stadtentwicklung und Planung keineswegs ein Vorgriff auf die noch ausstehende Artenschutzprüfung und weitere Bodenuntersuchungen getroffen. Vielmehr werden die Ergebnisse der Artenschutzprüfung und andere Umweltbelange wie z.B. weitere Bodenuntersuchungen wie üblich geprüft und im weiteren Bebauungsplanverfahren angemessen berücksichtigt.
Zusätzlich möchte ich anmerken, dass neben dem erwähnten Ratsbeschluss und dem Aufstellungsbeschluss im Bebauungsplanverfahren die Vorgaben des Regionalplanes, des Flächennutzungsplanes und des Landschaftsplanes im Bebauungsplanverfahren Nr. 774/S eingehalten werden. Bei den letztgenannten beiden Plänen insbesondere die Festsetzung des Landschaftsschutzgebietes „Niersaue Rheydt“.
Da die Voraussetzungen für eine Bebauungsplanverfahren nach § 13a BauGB seitens des Gesetzgebers klar definiert sind, alle planerischen Vorgaben eingehalten werden und die Umweltbelange in angemessener Form Berücksichtigung finden, kann das Bebauungsplanverfahren somit nach § 13a BauGB durchgeführt werden und einer juristischen Prüfung standhalten.
Auch im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB wird wie üblich eine Bürgerbeteiligung durchgeführt. Abschließend möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal auf die in der Bezirksvertretung Süd bereits angekündigte „Veranstaltung Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3(1) BauGB“ hinweisen, die am 08.03.2016 um 18:00 Uhr im Ratssaal Rheydt stattfindet. Hier haben alle Interessierten nochmals die Möglichkeit, sich über die Planung und die weiteren Verfahrensschritte zum Bebauungsplanverfahren Nr. 774/S ausführlich zu informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Wilhelm Reiners, Oberbürgermeister